Gottes Neue Offenbarungen

Die Haushaltung Gottes
Band 1

Die Urgeschichte der Menschheit

- Kapitel 62 -

Das Verständnis der Patriarchen für die Rede Henochs

Siehe, das war eine rechte Rede, und doch war sie den Vätern noch nicht ganz klar, und so fragte Adam all die umstehenden Kinder, sagend:
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,,Kinder, habt ihr nun alle wohl verstanden die Rede Henochs?"
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Seth aber antwortete: ,,O Vater, so nun der Same erst gelegt wurde, wie könnte es wohl sein, daß wir es völlig verstünden?! Wir haben zwar die Schale mit dem Keime und den Stein mit dem Leben empfangen; aber die Verwesung der Materie ist noch nicht erfolgt, auf daß das Leben geworden wäre. Aber ich vertraue fest, es wird die Zeit des Herrn das ihrige sicher tun und wird unsere Herzen umgestalten zu einem neuen Paradiese! Amen."
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Und es fragte Adam also den Enos weiter um das Verständnis. Dieser aber entgegnete: ,,O Vater, ich sah einst einen Haufen unförmlicher, plumper Steine liegen; da war ihre Farbe ein und dieselbe. Es fiel aber bald darauf ein fruchtbarer Regen vom Himmel, und dieser Regen fiel auch über diesen Haufen Steine; diese Steine aber, da sie zuvor die Sonne gewaltig durchwärmt hatte, sogen begierig jeden Tropfen in sich und dampften, wonniglich scheinend ob solcher Erquickung, so zwar, daß ich sie nimmer zu sehen vermochte ob des gewaltigen Dampfens. Nun fing aber auch unter dem Regen ein kleiner Sturm an zu wehen; dieser trieb alsbald die Dämpfe von den Steinen, und ich konnte dieselben wieder schauen. Aber wie sah ich sie verändert!
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Die Einfarbe war zur Tausendfarbe geworden, und das eingedrungene Wasser hatte sie völlig durchsichtig gemacht, und einige davon zerfielen in einen weißen Brei; und ich vermochte dadurch, nur zu deutlich beinahe, zu erschauen ihren mannigfaltigsten Gehalt.
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So glaube ich auch jetzt einen solchen Haufen Steine vor mir und in mir zu erblicken, die durch die Gnadenstrahlen von oben gar gewaltig durchwärmt zu sein scheinen, und es ist noch gar wenig Unterschiedes zwischen ihnen; aber nun glaube auch ich fest, so der Regen, von Stürmen begleitet, kommen wird, da wird es mit meinen Steinen wohl werden wie mit den gesehenen, allwo die durchleuchteten gleichen werden den vollen Verständnissen und die zerfallenen der Verwesung, aus der ein neues Leben aus der Erde meines Herzens keimen wird, gleich wie dort aus dem weißen Brei sich alsbald ein üppiges, junges Gras erhob. Amen."
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Und sobald wurde desgleichen auch Kenan gefragt; da war seine Antwort folgende: ,,O Vater, ich sah jüngst an einem schwülen, heißen Tage, daß sich ferne Gegenden mehr und mehr zu verlieren anfingen, und es half da kein Anstrengen der Sehe; kurz, sie verschwanden endlich ganz und gar, und das Licht der Sonne vermochte nicht zu hindern solches Verderben, stets näher und näher zu rücken. Und so wurden von solchem dunstigen Unding auch nach und nach unsere nächsten steilen, hohen Nachbarn verschlungen; mich bangte der Erde, und so floh ich in meine Hütte.
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Es kam in der Nacht ein Ungewitter. Blitze und Donner wetteiferten in ihren Mächten. Ein Sturm drängte den andern. Windsbräute tobten an meiner Hütte vorüber, und dem Himmel entstürzte ein Stromregen, dessen glühende Fluten an den Spitzen der Berge zerbarsten und dann donnernd und schaumbrausend in die tiefen Gräben und Täler dem Meere zu stürzten.
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O Väter, da schmachtete mein ganzes Haus in einer großen, betäubenden Angst und fürchtete sich vor Gott!
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Ich betete. Das Ungewitter verzog. Ruhig wurde es gegen den Morgen; da verließ ich eine Zeit vor dem Aufgange meine Hütte und blickte erstaunt und dankbar in die Ferne. Oh, es war der heiterste Morgen, und mein Auge entdeckte da in früher ungeahnten Fernen Dinge und sah sie in ein freundliches Dasein treten!
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Und so glaube ich nun auch fest, daß nach dieser meines Herzens Sturmesnacht ein gleich ruhiger und überaus heiter reiner Morgen in und durch die Liebe zu Gott, unser aller liebevollstem, heiligstem Vater, erstehen werde. Amen."
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Und es galt die Frage nun dem Mahalaleel, ob und wie er die Rede Henochs wohl verstanden haben mochte.
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Und er antwortete in seiner Wortkargheit: ,,O Väter, unlängst an einem Morgen nahm ich mir vor, solange es ginge, die Sonne anzugaffen, um vielleicht in derselben gleichwie im Vollmonde etwas zu entdecken. Allein ich empfand bald die Strafe für meine Tollheit; denn als bald mein Auge nicht mehr vermochte, ferner zu ertragen die große, brennende Heftigkeit des Lichtes, sehet, da wandte ich meine Augen ab von der Sonne und bemerkte mit großer Angst, daß meine Augen nichts mehr zu erschauen vermochten; ja sogar ich selbst bin mir verlorengegangen, so daß ich die Erde und mich nur zu fühlen, aber nicht mehr zu sehen vermochte.
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Und so blieb ich den ganzen Tag über und merkte am Abende kaum, wie die Nacht sich allmählich über die Erde zu lagern begann.
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Meine Kinder geleiteten mich in meine Hütte; daselbst betete ich zum guten, heiligen Vater, daß Er mir das Licht meiner Augen gnädigst wiedergeben möge, das ich durch meine große Torheit eingebüßt hatte. Darauf schlief ich ein, und die Nacht spendete reichlichen Tau über meine Augenlider, und kühlende Lüfte wehten über die erhitzten Augen und fühlten den Sonnenbrand in meiner Sehe. Die Nacht verstrich, und - dem guten, heiligen Vater sei Dank und Ehre! - für mich erstand wieder ein ruhiger, heiterer, reiner und frischer Morgen. Meine Sehe ward gestärkt, aber nicht mehr zu einer neuen Torheit, sondern zu schauen die blumenreichen Fluren der Erde und zu achten darob, wie sich in zahllosen Formen und heitersten Gestalten das Leben aus den Verwesungen frei entwindet.
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Und so glaube auch ich fest: Ist nun auch mein geistiges Auge ob des zu großen Gnadenlichtes von der heiligen Höhe Gottes geblendet, so wird aber eine stille nächtliche Herzensruhe und der Liebe kühlender Tau, unterstützt durch ein stärkendes Liebeswehen von der Höhe des guten, heiligen Vaters, auch bald am großen Morgen des Geistes über den Gefilden meines Herzens ein wunderbares Leben aus den Verwesungen meiner harten Gedanken und Gefühle erstehen lassen. Amen."
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Und so kam nun auch die Reihe an den Jared, und dieser gab folgendes zur Antwort, sagend: ,,O Väter! Was soll ich da für eine Antwort geben? Henoch ist zwar aus mir zunächst hervorgegangen, wie die Sonne aus der Erde hinter den Bergen hervorzugehen scheint; aber gar bald entsteigt sie überhoch den Tiefen der Erde und überstrahlt dann mächtig den endlosen Raum, und die ganze Erde badet sich dann geblendet in den übermächtigen Strahlen ihres Lichtes; und alles Leben weckt sie zur heiteren Regsamkeit und zahllosen, wunderbaren Entfaltung aus den Verwesungen der Nacht!
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So glaube ich denn auch fest und beharrlich: Henoch wurde erhoben gleich einer Sonne zur unermeßlichen Höhe über mir, und es wird nun mein ganzes Wesen von seinem großen Lichte geblendet. Aber es soll das heilige Licht nur wirken gleich dem Lichte der Sonne, und es soll meine Nacht mir zum Segen werden; denn so das Licht Leben wirkt und zieht den lebendigen Keim aus den Verwesungen hervor und formt und lenkt ihn dann wunderbar, da werde ich sicher, einer Pflanze nicht minder, in der stillen Ruhe meiner Demut vom Herrn bedacht werden. O Väter, dessen bin ich gewiß! Der Herr gebe jedem, was Ihm wohlgefällt! Amen."

Fußnoten